AUC Philosophica et Historica (Acta Universitatis Carolinae Philosophica et Historica) is a multidisciplinary academic journal focused on the humanities with more than 50 years of tradition.
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AUC PHILOSOPHICA ET HISTORICA, Vol 1983 No 1 (1983), 27–57
Kritická analýza metodologických koncepcí symbolického interakcionismu a fenomenologické sociologie
Eduard Urbánek
DOI: https://doi.org/10.14712/24647055.2018.95
published online: 15. 01. 2018
abstract
Die Analyse der methologischen Konzeptionen des symbolischen Interaktionismus und der phänomenologischen Soziologie hat einen trifftigen Sinn. Im Anschluß an die Anregungen der amerikanischen Philosophie des Pragmatismus entfaltete der symbolische Interaktionismus eine Reihe von methodologischen Anregungen, in denen bestimmte Elemente von Dialektik und Subjekt-Objekt-Verhältnis bei der Analyse des Verhältnisses von Persönlichkeit – Gesellschaft, bei der Analyse von Einstellungen, Werten und Bedeutung auch bei Bearbeitung der Theorie der Rolle und des sozialen Ego betont werden. Zu den bedeutsamsten Repräsentanten dieser Linie zählen W. I. Thomas und G. H. Mead. Bezeichnend ist für sie auch die Betonung eines biographischen Herantretens an die Materie sowie die Methode, mit der persönliche Dokumente erforscht werden. In ihren Spuren ging H. Blumer, in dem er die Konzeption des symbolischen Interaktionismus entfaltete und systematisierte, die Bedeutung der Realität und ihres Charakters für die Anwendung von Forschungsmethoden methodisch betonte. Selbständig begründete er die Methode der Exploration und Inspektion. Zum Vorteil dieser Methode zählt bei Thomas, Mead und Blumer die Kritik des Behaviorismus, Empirismus, Positivismus und des naturalistischen Reduktionismus. Als Nachteil sind die vorherrschenden sozial-psychischen Methoden, Mangel an konkreter soziologischer Analyse, Elemente von Formalismus und Abstraktivität, nicht historische sowie nicht klassenmäßige Einstellung zu nennen. Im Rahmen der amerikanischen Gesellschaft sowie der amerikanischen Gesellschaftswissenschaften waren jedoch bestimmte Dialektik-Elemente sowie Betonung der Bedeutung der „aktiven Seite“ von progressivem Charakter und haben noch heute eine bestimmte positive Bedeutung. In den USA wurden methodologische Anregungen der Phänomenologie Husserls für eine etwaige Entfaltung der soziologischen Problematik von A. Schütz vermittelt. Kombiniert wurden da Husserls Methodologie (so die Begriff vor Lebenswelt, Welt des Alltags und natürlicher Einstellung ferner der Begriff von Bedeutung und ihrer Konstituierung, Konzeption der Intersubjektivität) mit der Methodologie idealer Typen, mit der Konstruktion von Marionetten oder Homunkuli und mit der Auffassung der Gesellschaftswissenschaften als Disziplinen, die Konstruktionen zweiten Rangs bilden. Er bahnte den Weg auch für das Postulat der adäquaten Stellung der Konstruktionen der Wissenschaft und der der Interpretationen der an der Lebenswelt Beteiligten. Er machte sich die Anregungen des symbolischen Interaktionismus zunutze, der in den USA ein Vermittlungsglied der Entfaltung der phänomenologischen Soziologie in den sechziger Jahren wurde. Die methodologischen Verfahren von A. Schütz wurden zur Grundlage für die Entfaltung verschiedener Linien und Varianten der phänomenologischen Soziologie in der USA. Davon ist die Ethnomethodologie weitaus die wichtigste und die meistverbreitete. Sie enfaltete eine Reihe von Ethnomethoden für die Interaktionsanalyse in der Lebenswelt sowie für die Erfassung der Bedeutung und des Sinnes von Interpretationen, anhand von denen die Akteure die sozial Realität produzieren und instandhalten. Zu beanstanden sind bei Schütz Züge von Formalität, Abstraktivität, nicht historischer und nicht klassenmäßiger Einstellung. Von positiver Bedeutung ist jedoch seine Kritik der Schwächen des Empirismus, Positivismus und des naturalistischen Reduktionismus in den Gesellschaftswissenschaften und in der Soziologie. Eine Analyse der methodologischen Ausrüstung der Ethnomethodologie sowie weiterer von Schütz beeinflußter Linien der phänomenologischen Soziologie ist schon aus dem Grunde nötig, da deren Einfluß schon von Bedeutung ist und selbst die USA-grenzen übersteigt (verbreitet sind sie in England und in der BRD). Die Entfaltung des symbolischen Interaktionismus und der phänomenologischen Soziologie in den USA sowie in weiteren kapitalistischen Ländern weist darauf hin wie kompliziert und kurvenreich die Wege zur Aufstellung und Lösung der berechtigten methodologischen und theoretischen Probleme sind. In den USA, wo die Tradition des dialektischen materialistischen Denkens schwach ist, wo die marxistisch-leninistische Theorie auch weiterhin von relativ geringem Einfluß ist, sind einige Anregungen der Elemente der idealistischen Dialektik, in den Quellen des symbolischen Interaktionismus (Philosophie des Pragmatismus) oder in der phänomenologischen Soziologie (von Husserl und Schütz inspiriert) enthalten, als relativ progressiv und anregend für die Entfaltung der soziologischen Denkweise und der soziologischen Forschung zu betrachten. Besonders anregend sind sie für die Kritik von Schwächen anderer Richtungen und Schulen der bürgerlichen Soziologie.