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Alma mater Pragensis

Alma mater Pragensis

Studie k počátkům Univerzity Karlovy

Šmahel, František

subjects: Charles University, history – medieval

e-book, 1. edition
published: may 2016
ISBN: 978-80-246-3239-1
e-book formats PDF
recommended price: 360 czk

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summary

The earliest history of Charles University forms a significant part of the medieval university education system and its importance throughout Europe still makes it an important research subject for domestic and foreign historians. The very foundation of the university in Prague by Emperor Charles IV in 1348 raises many questions. Was it really the first university north of the Alps and east of the Rhine, or is it Erfurt that holds the primacy? The frequently discussed topics include the oldest seal of the university community. Did it originally only belong to the group of lawyers, who in 1372 formed an autonomous university within the Prague university studies? These and other questions and mysteries are answered by Professor František Šmahel, who has devoted nearly sixty years to the history of Prague University. This collection of 23 essays and discourses covering the period spanning 1348–1620 explains the methods of instruction at the faculties of arts and medicine, recounts the events associated with the Kutná Hora Decree and seeks the first traces of humanism in the academic environment. His focus however has always been primarily on the students and professors in Prague.

reviews

Die Universität Prag ist nicht allein ein fundamentales Gründungswerk Karls IV., sie gilt mit Blick auf die historiographische Leistung zu Recht zugleich als diejenige Hohe Schule, die Leben und Werk František Šmahels (geb. 1934) in entscheidendem Maße geprägt hat. Im Grunde genommen sind es drei her ausragende Eigenschaften, die den "Universitätshistoriker" Šmahel aus Prag auszeichnen. Zum einen ist es die Fähigkeit, im Rahmen seiner fast sechs Dezennien andauernden Beschäftigung mit dem Untersuchungsgegenstand, d. h. der ältesten Prager Universitätsgeschichte, in unermüdlicher Arbeit immer wieder neue Quellen und Quelleninterpretationen aus unterschiedlichen Perspektiven zu präsentieren. Zum anderen ist es die fast enzyklopädische Kenntnis der älteren Universitätsgeschichte Europas, die eine fortwährende Kontextualisierung der Rolle Prags innerhalb der europäischen Bildungsgeschichte in Spätmittelalter und Früher Neuzeit ermöglicht. Aus beiden Punkten erwachsen ist so drittens eine herausragende Position des Autors in seiner tschechischen Heimat, aber auch auf der großen Bühne europäischer Universitätsgeschichte, die nicht zuletzt ihren Niederschlag in der Mitgliedschaft in verschiedenen europäischen Fachkommissionen gefunden hat.
Der vorliegende Band enthält 23 Studien František Šmahels, die zwischen 1960 und 2010 entstanden sind; drei davon werden hier erstmals publiziert. Zum Vergleich: Im Jahre 2007 ist bereits ein ähnlich umfangreicher Sammelband mit Studien des Autors zur ältesten Prager Universitätsgeschichte erschienen, der freilich vornehmlich für ein deutschsprachiges Publikum gedacht war, zumal 18 tschechischsprachige Beiträge Šmahels dafür extra ins Deutsche übertragen wurden und so die natürliche Sprachbarriere zu überwinden halfen. Hinzu kamen drei Aufsätze in englischer Sprache1). Im Gegensatz hierzu wartete die tschechische Fachgemeinde auf eine Zusammenstellung der Arbeiten Šmahels zur Universitätsgeschichte bislang vergeblich. Eingeteilt ist der vorliegende Band in drei große Themenblöcke, die sich mit der Prager Hohen Schule in der Zeit der Luxemburger, der Artistenfakultät bis zum Ausbruch der hussitischen Revolution sowie mit der utraquistischen Universität bis zum Jahre 1622 befassen. Zwei große Studien Šmahels zur Prager Universitätsgeschichte, die die Forschung nicht allein methodisch bereichert und inspiriert haben, konnten - im Vorwort expressis verbis genannt - im vorliegenden Band leider keine Berücksichtigung finden, zumal sie den Umfang des ohnehin schwergewichtigen Buches bei weitem gesprengt hätten2).
Dennoch liegt ein beachtlicher Band vor, der einen repräsentativen Überblick über die universitätsgeschichtlich ausgerichteten Untersuchungen des Autors vor dem jeweiligen zeit- und forschungshistorischen Hintergrund gibt, zumal mit jedem einzelnen Beitrag, wie auch in den editorischen Bemerkungen und Kommentaren zu den hier aufgenommenen Studien erläutert (S. 575-587), ein Stück Wissenschaftsgeschichte verbunden ist. Die Prager Universität nimmt, worauf auch Hartmut Boockmann verwiesen hat, eine eigentümliche Stellung zwischen den Zeiten ein - als letzte Vertreterin des älteren und erste eines neuen Typs, nämlich als landesfürstliche Gründung, wobei Karl IV. zur Zeit der Universitätsgründung noch als schwacher König galt und man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, der Luxemburger habe vom Papst das Gründungsprivileg als eine Art Hilfsmittel seiner Autorität erhalten3). So sind denn auch die Anfänge der älteren Carolina als eines "nationalen Monuments" aus tschechischer Sicht mit zahlreichen Fragezeichen verbunden (Šmahel widmet sich u. a. den ältesten Statuten der Prager Universität im komparativen Vergleich, dem Rätsel des ältesten Universitätssiegels4) und der Geschichte der Magisterkollegien), die in der Forschung unterschiedlich gedeutet werden. Hier muss vor allem auf die Darstellung Peter Moraws verwiesen werden, der bei der Beantwortung der Frage, warum die erste Universität im nordalpinen Bereich nicht am Niederrhein, sondern in Prag entstanden sei, u. a. auf Prag als "mittelalterliches Kraftzentrum" und die "große Dynastie" der Luxemburger verwiesen hat5). Unstrittig hingegen sind die mit dem Kuttenberger Dekret vom Januar 1409 verbundenen nationalen wie internationalen Auswirkungen für die weitere Geschichte der Carolina, zumal die Gründung der Universität Leipzig im Spätherbst 1409 eine direkte Folge der Sezession Prager magistři und Studenten der landfremden Universitätsnationen bildete und bei der translatio studii6) ein Großteil der fast 50 magistři in Leipzig pragenses waren7). Mit Blick auf das Kuttenberger Dekret sind es sowohl die von Frantisek Šmahel in Zusammenarbeit mit dem Prager Mediävisten Martin Nodl erstellte Forschungsbilanz8) als auch die von Nodl vorgelegte Monographie, die unsere Kenntnisse - etwa mit Blick auf die concordia nationum oder die "goldenen 1390-er Jahre" - maßgeblich erweitert haben9).
Im zweiten Themenblock, der zeitlich bis zum Ausbruch der hussitischen Revolution reicht und der inhaltlich die Geschichte der Artistenfakultät, überlieferte Vorlesungsverzeichnisse, schriftliche Verzeichnisse der Quodlibet-Disputationen sowie den Prager Universalienstreit thematisiert und damit Lehrinhalte und Lehrende gleichermaßen fokussiert, werden die bereits vor mehr als vier Jahrzehnten von Jiří Kejř auf der Grundlage der Handschriften präsentierten Ergebnisse zu den Quodlibet-Disputationen nicht unerheblich erweitert10), was in gleichem Maße auch für neue Quellenfunde und daraus resultierende Fragen zum Prager Universalienstreit gilt. Zudem wird dadurch der Blick auch auf Johannes Hus und seine Geisteswelt gelenkt, ein weiteres großes Forschungsfeld Šmahels. Der abschließende dritte Themenblock zeigt die utraquistische Universität als Ergebnis des wegbereitenden Kuttenberger Dekrets sowie der hussitischen Revolution, wobei komparative Vergleiche (Prag - Paris um 1450), tabellarisch verdeutlichte Studentenzahlen, regionale und soziale Herkunft der Postgraduierten, Studenten aus den böhmischen Ländern in Prag und an ausländischen Hohen Schulen, die ältesten Buchkataloge der Prager Kollegien sowie die Anfänge des Humanismus an der Prager Universität - ebenfalls ein Forschungsfeld des Autors - im Blickpunkt stehen11).
Der vorliegende Band ist im Erscheinungsjahr 2016 eine Referenz an den Gründer der Universität Prag, Karl IV., dessen 700. Wiederkehr seines Geburtstages mit Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen gedacht wird, sowie an den Autor der vorliegenden Studien gleichermaßen. Dass das Kapitel Universitätsgeschichte für František Šmahel als führendem tschechischen Mediävisten noch keineswegs abgeschlossen ist, unterstreichen in der Zwischenzeit erschienene weitere Studien12) sowie eine Monographie über die ältesten Prager Bücherkataloge der Carolina13). Ein Überblick zu ausgewählten Editionen und Literatur (S. 589-599) sowie ein Orts- und Personenregister (S. 601-614) stehen am Ende dieses Bandes, der unser Wissen um die universitätsgeschichtlichen Forschungen des Autors im zeitgeschichtlichen Kontext erweitert (auch durch die Edition der aufgefundenen Quellen) und der nicht unerheblich über jenen Band mit ausgewählten Studien Šmahels von 2007 hinausgeht.

1) František Šmahel, Die Prager Universität im Mittelalter, The Charles University in the Middle Ages, Gesammelte Aufsätze, Selected Studies, Leiden 2007; vgl. die Besprechung von Wolfgang Eric Wagner, online abrufbar unter http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-9423. Neun der darin vereinten Beiträge haben nunmehr, um neue Literaturangaben ergänzt, im anzuzeigenden Band Aufnahme gefunden.
2) Hierbei handelt es sich um Šmahels statistisch-soziologische Studie Pražské universitní studentstvo v předrevolučním období 1399-1419 aus dem Jahre 1967 sowie sein Verzeichnis der Quellen zum Prager Universalienstreit 1348-1500 von 1980: mit aufgeführten 530 Werken zeitgenössischer Autoren und der handschriftlichen Überlieferung noch immer von grundlegender Bedeutung, heute freilich nur schwer zugänglich. Thematisch eng mit der ältesten Prager Universitätsgeschichte verbunden sind darüber hinaus Šmahels Arbeiten zu Hieronymus von Prag, vgl. František Šmahel/Gabriel Silagi (Hgg.), Ma- gistri Hieronymi de Praga Quaestiones, Polemica, Epistulae, Turnhout 2010, sowie František Šmahel, Život a dílo Jeronýma Pražského, Zpráva o výzkumu, Praha 2010.
3) Hartmut Boockmann, Wissen und W irklichkeit, Geschichte der deutschen Universität, Berlin 1999, S. 76.
4) Zur Kontextualisierung vgl. jetzt auch Heidrun Rosenberg, Das Siegel der Weisheit, Hoheitszeichen der Universität Wien aus dem 14. Jahrhundert, in: Heidrun Rosenberg/Michael Viktor Schwarz (Hgg.), Wien, 1365, Eine Universität entsteht, Wien 2015, S. 118-141.
5) Vgl. Peter Moraw, Die Universität Prag im Mittelalter, Grundzüge ihrer Geschichte im europäischen Zusammenhang, in: Die Universität Prag zu Prag, München 1986, S. 9-134 (hier S. 22).
6) Vgl. hierzu den von František Šmahel im November 2011 zur Eröffnung des neuen Leipziger Universitätsarchivs gehaltenen Vortrag, online abruf bar unter https://www.archiv.uni-leipzig.de/wp-content/uploads/2011/11/smahel-festrede.
pdf.
7) Vgl. die entsprechende Auflistung in Enno Bünz/Tom Grabner (Hgg.), Die Gründungsdokumente der Universität Leipzig (1409), Edition - Übersetzung - Kommentar, Dresden 2010 (die Biogramme der Magister auf S. 49-76).
8) František Šmahel/Martin Nodl (Hgg.), Das Kuttenberger Dekret nach 600 Jahren, Eine Bilanz der bisherigen Forschung, in: Blanka Zilynská (Hg.), Universitäten, Landesherren und Landeskirchen: Das Kuttenberger Dekret von 1409 im Kontext der Epoche von der Gründung der Karlsuniversität 1348 bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555, Praha 2010, S. 19-54, hier die deutsche, im Sammelband von 2007 (o. Fn. 1) noch nicht enthaltene Fassung.
9) Martin Nodl, Dekret kutnohorský, Praha 2010.
10) J iří Kejř, Kvodlibetní disputace na pražské univerzitě, Praha 1971.
11) Vgl. hierzu zuletzt den in Deutschland nur unter Spezialisten bekannten Sammelband František Šmahel, Mezi středověkem a renesancí, Praha 2002 (hier v. a. Kap. IV: Humanistica).
12) Vgl. exemplarisch František Šmahel, Drobné záhady rejstříku Rečkovy koleje, Praha 2013, S. 11-21.
13) Zuzana Silagiová/František Šmahel (Hgg.), Catalogi librorum ve- tustissimi Universitatis Pragensis - Die ältesten Bücherkataloge der Prager Universität, Turnhout 2015.

Thomas Krzenck, ZRG GA 134 (2017), p. 505-508