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Válečné dětství a mládí (1939–1945) v literatuře a publicistice

Válečné dětství a mládí (1939–1945) v literatuře a publicistice

[Childhood and youth during wartime (1939–1945) in literature and journalism]

Čeňková, Jana (ed.)

subjects: literary criticism

e-book, 1. edition
published: january 2017
ISBN: 978-80-246-3502-6
e-book formats PDF
recommended price: 200 czk

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summary

This collective monograph focusing on books and magazine for children and youth and published during World War II (1939–1945), initiated by the Institute for Communications and Journalism at the Faculty of Social Sciences, Charles University, presents texts written by leading experts on literature and journalism for children and the youth at universities in the Czech Republic, and also includes one entry from Slovakia.
The texts focus on stories of children and adolescents during World War II and the Holocaust published in books and magazines. More than seventy years have passed since the end of the war, many new books have been published and the view of childhood and youth during wartime underwent a change after 1990. The texts analyze war propaganda in the literary, publishing and magazine production and interpret classical as well as contemporary works of Czech and world literature in translation (František Křelina, Zdeňka Bezděková, Jan Procházka, John Boyne, Věra Gissingová, Ori Orlev and others) as well as original Dutch and German literature, and literature in the form of young people’s diaries and memoirs.

reviews

Das seit einigen Jahren zunehmende wissenschaftliche Interesse an historischen Aspekten von Kindheit und Kinderliteratur ist auch in der tschechischen Forschung deutlich. Eine wachsende Zahl studentischer Abschlussarbeiten befasst sich vor allem mit Teilaspekten der Kinderliteratur seit dem frühen 20. Jahrhundert, eine Kollektivmonografie zur Kindheit im Ersten Weltkrieg wurde im vergangenen Jahr mit dem Preis Magnesia Litera prämiert,(1) weitere wichtige Bände zur Geschichte von Familie und Kindheit sind erschienen(2) oder in Vorbereitung, und die Grant-
Agentur (Grantová agentura České republiky, GAČR) fördert gleich mehrere Forschungsprojekte zu diesem Themenbereich. Angesichts dieses kleinen Booms ist es also nachvollziehbar und begrüßenswert, dass nun ein Buch zum komplexen Thema Kindheit und Jugend im Zweiten Weltkrieg erschienen ist.
Allerdings erscheint der Band mit der heißen Nadel gestrickt und bleibt an der Oberfläche, was gerade angesichts der Vielfalt der aktuellen Forschung zu bedauern ist. Er wird gekennzeichnet als Kollektivmonografie, lässt jedoch die Kohärenz, die ein solcher Begriff nahelegt, vermissen. Es fehlt eine über das sehr allgemein formulierte Interesse am Thema "Kinder und Krieg" hinausgehende Fragestellung. Auch die Zusammensetzung der Texte wirkt willkürlich. Die Herausgeberin präsentiert dem Leser - ohne den Versuch einer Erklärung - Beiträge zu einzelnen literarischen Werken, faktografische Überblicksberichte und Materialsammlungen für Lehrer, Essays zu Texten für Kinder, von Kindern und über Kinder, Zusammenfassungen von Kinderbüchern sowie Darstellungen zu tschechischer, deutschsprachiger, amerikanischer, hebräischer und niederländischer Literatur aus sechs Jahrzehnten. Verschiedene Formulierungen weisen darauf hin, dass zumindest einige Autoren ihre Beiträge tatsächlich aus einer primär didaktischen Perspektive verfasst haben: Die besprochenen literarischen Werke werden oft auf ihre Qualität und Überzeugungskraft hin geprüft, und mehrere Autoren sprechen den Wunsch aus, die behandelte Literatur möge intensiver und breiter rezipiert werden. Diese Zielsetzung wird jedoch an keiner Stelle deutlich formuliert, und es bleibt unklar, welchen Maßstab der Band für sich selbst setzt und an welchem Maßstab Rezensenten ihn entsprechend messen sollen.
Dass die Autoren und vor allem die Herausgeberin sich so wenig um eine Auseinandersetzung mit der internationalen Forschung bemüht haben und kaum weiterführende analytische Fragen stellen, ist eine vertane Chance, denn so wird das Potential des Themas weitgehend verschenkt. Mehrfach weisen die Beiträger darauf hin, wie wichtig Kinderliteratur über den Krieg sei, verfolgen diese Gedanken aber nicht weiter. Überlegungen dazu, welche Rolle Konstrukte von Kindheit bei der Aufarbeitung von Kriegserlebnissen spielen, sucht der Leser vergebens. Eine andere Frage, die nach einer systematischen Auseinandersetzung ruft, ist die nach Genre und Zielgruppe. In verschiedenen Beiträgen scheint als Problem auf, ob Literatur über Kinder auch als Literatur für Kinder verstanden werden kann und sollte und wie sich diese Wahrnehmung im Lauf der Zeit verändert.
Auch innerhalb der tschechischen Wissenschaftslandschaft bringt der Band wenig Neues. Zum "Kuratorium pro výchovu mládeže" (Kuratorium für die Erziehung der Jugend) und dessen Publikationstätigkeit im Rahmen von Kinderzeitschriften beispielsweise sind bereits mehrere Artikel und Studien zugänglich, zuletzt die Doktorarbeit des hier ebenfalls vertretenen - merkwürdigerweise, weil chronologisch inkonsequent erst mit dem zweiten Beitrag - Pavel Suk.(3) Der faktografische
Text zum Kuratorium, mit dem der Band eröffnet, bringt somit kaum Neues. Tatsächlich am interessantesten ist der erwähnte Artikel von Suk, in dem die Geschichte und Arbeitsweise der Zeitschrift "Mladý hlasatel" (bzw. anfangs "Malý hlasatel"; Junger bzw. Kleiner Ausrufer) in den Jahren von 1935 bis 1941 mit analytischem Blick fürs Detail präsentiert werden. Suk gelingt es, die redaktionelle Entwicklung (insbesondere die bemerkenswerte Mitarbeit Jaroslav Foglars) mit einer Textanalyse und der Einbindung in historische Entwicklungen zu verknüpfen.
Die aktuelle Kindheitsforschung profitiert sehr von interdisziplinären Fragen und nicht zuletzt medienwissenschaftlichen Ansätzen. Das in diesem Band aufgegriffene Thema bietet sich für eine solche Auseinandersetzung an, es verlangt allerdings nach deutlich mehr Reflexion und schlicht Mühe als offenbar hier aufgewandt wurde. Schade.

1 Lenderová, Milena/Halířová, Martina/Jiránek, Tomáš: Vše pro dítě! Válečné dětství 1914-1918 (Alles für das Kind! Kindheit im Krieg 1914-1918). Praha 2015.
2 Hier seien nur einige genannt: Šustrová, Radka: Pod ochranou protektorátu: Kinderlandverschickung v Čechách a na Moravě. Politika, každodennost a paměť, 1940-1945 (Unter dem Schutz des Protektorats: Kinderlandverschickung in Böhmen und Mähren. Politik, Alltäglichkeit und Erinnerung, 1940-1945). Praha 2012. - Rákosník, Jakub: Sovětizace sociálního státu: Lidově demokratický režim a sociální práva občanů v Československu 1945-1960 (Sowjetisierung des Sozialstaats: Das volksdemokratische Regime und soziale Rechte der Bürger in der Tschechoslowakei 1945-1960). Praha 2010. - Knapik, Jiří (Hg.): Děti, mládež a socialismus v Československu v 50. a 60. letech (Kinder, Jugend und Sozialismus in der Tschechoslowakei der 50er und 60er Jahre). Opava 2014. - Henschel, Frank: "All Children Are Ours”. Children’s Homes in Socialist Czechoslovakia as Laboratories of Social Engineering. In: Bohemia 56 (2016) H. 1, 122-144.
3 Suk, Pavel: Protektorami časopisy a přílohy denních listů pro děti a mládež jako nástroj nacistické propagandy (Zeitschriften des Protektorats und Beilagen der Tageszeitungen für Kinder und die Jugend als Instrument von NS-Propaganda). Dissertation an der Karlsuniversität Prag, Praha 2014. - Nezdařil, Petr: Propaganda a mládež za protektorátu: Kuratórium a Strategie působení na mládež prostřednictvím časopisů (Propaganda und Jugend im Protektorat: Das Kuratorium und die Strategie der Einwirkung auf die Jugend mithilfe von Zeitschriften). Diplomarbeit an der Universität Prag, Praha 2009. - Springi, Jan: Protektorami vzor mladého člověka. Kuratorium pro výchovu mládeže v Čechách a na Moravě (1942-1945) (Das Vorbild des jungen Menschen im Protektorat. Das Kuratorium für die Erziehung der Jugend in Böhmen und Mähren (1942-1945)). In: Soudobé dějiny 11 (2004) č. 1-2, 154-177.

Martina Winkler, Kiel, Zeitschrift Bohemia, Ausgabe 57/2, 477-479